Sempervivum

IRANICUM   Bornmüller & Gauba, 1940

Section Sempervivum

Distribution : N Iran.

 

Description (according to 't Hart, Bleij & Zonneveld in IHSP, 2003) :

Rosettes 3 - 7 cm in diameter.

Stolons short.

 Leaves oblong, outer leaves acute, inner leaves shortly cuspidate, minutely glandular-pubescent, margins entire, glaucous green, 25 - 30 x 10 - 15 mm.

Flowering branches 10 - 20 cm, succulent, densely leafy, cauline leaves oblong, shortly acuminate, somewhat longer and wider than in the rosettes but otherwise similar.

Inflorescences compact, 3- to 6- flowered corymbs.

Flowers 12- to 14- merous, 2 - 5 cm in diameter, sepals yellowish-green, ± 6 mm, petals carinate, white with pink stripes on the keel, ± 14 x 2 mm, anthers dark purple, styles abruptly recurved.

See also :

- Alan Smith, The Genus Sempervivum and Jovibarba, 1980

- Sempervivum in Iran         English version / Italian version

 



Sempervivum iranicum
ist das wahrscheinlich meist bezweifelte Sempervivum in Kultur. 

Die Artbeschreibung von 1940 bietet kein Charakteristikum, das S.iranicum in wenigen Worten von anderen „rotblühenden“ Semperviven abgrenzen lässt. Jüngere Feldfunde aus den 60er Jahren gehen auf Admiral Paul Furse zurück, und es ist schon ein gewisses Misstrauen angebracht, ob die heutigen Sammlungsklone alle „korrekt“ sind.

Ein Foto auf Gerard Dumonts Homepage und im Online Herbar des BG Berlin ist das einzige, was es auch heute, gut 70 Jahre nach der Erstbeschreibung, noch an Originalbildmaterial gibt. Der abgebildete Klon in Kultur ist allerdings nicht sonderlich prägnant und würde unter diversen z. B. S.tectorum oder S.marmoreum nicht auffallen. Im Gegensatz zu den dürftigen Bildern und wenigen Sammlungspflanzen gibt es jedoch relativ viele Felddaten in situ. Was also tun?

Anfang Juli 2011 verlasse ich den Flughafen Teheran. Mein erstes Ziel heißt Kandavan Pass, oft erwähnter Erstfundort. Der Kandavan ist der „Brenner des Alborz Gebirges“, die Achse von Nord nach Süd. Der Aufstieg von Teheran ist von kargster Vegetation begleitet, und erst ab der Passhöhe werden die Berge grün mit schütteren Almwiesen und Felssteppen. Schon während der Busfahrt über den Pass nach Kalardasht sehe ich an Schrofen die ersten Polster, was ich aber nach 36 Stunden Anreise als sempervivophile Halluzination deute. „Es werden sicher Saxifragen sein...“

Tags darauf wird der Kandavan dann von Norden wieder angefahren, nachdem mich iranische Freunde mitgenommen haben. Und tatsächlich, es sind Semperviven dort oben. Ich hatte es schwieriger befürchtet. Die Population ist überraschend üppig und in anbetrachtder Menge der Klone wenig variabel. Dichtrosettig, geschlossen, bewimpert, feinhaarig, und die Stolonen bilden sich falls möglich bis zu 6 cm Länge. Es blühen auch Klone. Diese zeigen wie S. marmoreum oder die Kaukasusformen rote Antheren und Petalen mit weißen Rändern. Als einzige besondere Auffälligkeit lässt sich mit viel Willen ein Blütentrieb ausmachen, der, nachdem er sich als „Schwanenhals“ erhoben hat, in der Blüte extrem aufrecht steht.

Blühendes Sempervivum iranicum oberhalb der Kandavan Pass-Strasse.

Neuer Standort, neues Glück : Kiku – ein Dorf ein Tal östlich. So einprägsam der Name, es kennt ihn keiner hier.  Zum Glück habe ich Google Earth Ausdrucke dabei, und so fahren wir nach Überzeugung des Taxifahrers schließlich hinauf in das unbekannte Bergdorf. Es ist ein gewaltiger, beweideter Berg hier, und so folgt ein längerer Anstieg bis zu den ersten Felsschrofen, wo die Semperviven schon warten...

„So ist das also“... - wo ich eine versteckte Rarität erwartet habe, finden sich die Semperviven mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, was ich vom Balkan so leicht nicht kenne. Es sind alle kleinen Schrofen hier besiedelt, mit dem Unterschied zum Kandavan, dass sich auch unbehaarte Formen finden sowie Übergänge zu haarigen, und auch einige Formen, die stärker haarig ausfallen, was sich dann auch in längeren Cilia ausdrückt. Die Rosetten auch hier kompakt.  Ein weiterer Klon sticht hervor, im XXL Format mit langen Stolonen, was – so ist zu befürchten - an einer gezielten Extradüngung durch die hiesigen Kühe liegen dürfte. Die Blüten zeigen keinen Unterschied zum Kandavan Pass.

Nachdem noch einige Standortmeldungen vom zentralen Alborz vorliegen, ist an S. iranicum als feste Größe im dortigen Florenelement nicht zu zweifeln. Nach Osten zu verliert sich der Alborz Bergzug schließlich in der Wüste, doch auch hier an den letzten Bergen gibt es Standortmeldungen von S. iranicum.

Behaarte Klone oberhalb von Kiku.

Jahan Nama Schutzgebiet : Die Auffahrt von Gorgan geht durch dichtesten Wald, und erst nach der Passhöhe öffnet sich ein wunderschönes Tal, das an südfranzösische Schluchten erinnert. Jahan Nama ist ein altes Almgebiet, und ohne GPS Daten wäre eine Suche hier fast sinnlos. An der letzten Passhöhe setze ich alles auf eine Karte, gebiete Ibrahim, meinem Fahrer, hier zu warten, was mangels Sprache nicht leicht fällt, und verschwinde im lichten Carpinetum. Eine kleine Schlucht, wo gigantische Polster von Gypsophylla aretioides an den Felsen hängen, trennt das Plateau. Dann Semperviven unter Wacholdern und in den Felsspalten. Der Prophet beschenkt mich sehr reich...

Die Klone fallen hier wieder feinhaarig aus und bilden dank der Exposition dichte Tuffs. Auch blühende Pflanzen finden sich, die wiederum – verglichen mit jenen vom zentralen Alborz - keine  Unterschiede zeigen. Es bestätigt sich auch hier die Uniformität von Sempervivum iranicum.

Ibrahim schüttelt nur den Kopf, als ich mit Astragalus Stacheln bestückten Füßen tief zufrieden zurückkehre...

Sempervivum iranicum mit Gypsophylla aretioiodes, Jahan Nama.

Zusammenfassend hat mich S. iranicum mit seinem Vorkommen im Alborz Gebirge sehr überrascht. Es wächst dort sowohl auf Kalk wie Silikatgestein. Bis auf die Variation in der Blattbehaarung fallen die Pflanzen sehr einheitlich aus mit dem besagten sehr aufrechten Blütentrieb, kompakten, eher geschlossenen Rosetten und - entgegen den meisten Beschreibungen - durchaus längeren Stolonen, sofern es die Standortverhältnisse zulassen. Die Blattform ist leicht gekielt, verkehrt eiförmig, und der variabel bewimperte Rand zieht sich meist sehr gleichmäßig zur Spitze. Doch die tendenziell  sukkulenteren Rosettenblätter mit den geschlosseneren Rosetten können auch den derzeitigen Morpho/Phänotyp ausdrücken. Schon der überdüngte Klon bei Kiku , der aber aus fremder Quelle erhaltenen Sammlungsklonen und auch dem Treibhauszögling im Herbarfoto entspricht, warnt uns hier. Ein absolutes abgrenzendes Charakteristikum für alle, die ihre Klone in der Sammlung jetzt überprüfen wollen, kann auch ich nicht geben. Manche S.marmoreum AGG. Formen sind sehr ähnlich.

(Im Vergleich zeigt jedoch S. marmoreum AGG. am Balkan bei vergleichbarer Distanz der Standorte wesentlich größere Unterschiede in den Phänotypen.)

So bleibt S. iranicum für uns ein echter Endemit des Irans, sicher zu bestimmen eigentlich nur vor Ort.

Blüten von S. iranicum, Jahan Nama.

Alborz : Das Alborz Gebirge grenzt die Iranische Trockenzone von der fruchtbaren Region am Kaspischen Meer ab und steigt bis in Höhen von 5600 m, wobei die höheren Berge alle vulkanischen Ursprungs sind. Gleichzeitig ist der Alborz Bergzug eine sehr bestimmende Wetterscheide, was sich, wenn man ihn von Norden nach Süden durchquert, in schnell wandelnden Florenelementen widerspiegelt. Die Seite zum Kaspischen Meer ähnelt der Toskana mit ihren dichten Wäldern, während sich die Landschaft zum Hauptkamm zu einer trockenen Provence wandelt. Das ganze wird sehr szenisch von immer wieder anbrandenden Wolken umrahmt, die aber die Gratlinie nicht weit überschreiten. Nur wenige Kilometer südlich beginnt eine Dornbusch Steppe, die dann im Südosten in die Wüste übergeht.

Klaus Schropp, August 2011

Mehr Fotos in der italienisch-englischen Originalpublikation :

Sempervivum in Iran, von Klaus Schropp

Cactus & Co, XVI (1), 2012

http://www.cactus-co.com/

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